In meinem „Das große Buch der Schachweltmeisterschaften“ (New in Chess, 2014) habe ich eine Chronologie der 46 Weltmeisterschaftskämpfe von 1886 bis 2014 veröffentlicht, wobei es mir nicht darum ging, die Dramatik der eigentlichen Wettkämpfe am Schachbrett zu beschreiben – das wurde für die meisten Matches ja bereits in den einschlägigen WM-Büchern geleistet. Diese konzentrierten sich auch zumeist auf die Ereignisse in den Partien selbst und lieferten dazu mehr oder weniger gute Analysen. Die Vorgeschichten und Geschehnisse abseits des Brettes wurden oft nur am Rande gestreift. Diese waren aber das, was mich ganz besonders interessierte. Zu jedem Wettkampf habe ich aber trotzdem eine kommentierte Schlüsselpartie hinzugefügt, weil mir ein Schachbuch ganz ohne Schachpartien dann doch zu seltsam erschien.
Im Unterschied zu anderen WM-Kämpfen ist die Vorgeschichte und sind die Begleitumstände des „Jahrhundertwettkampfes“ (gemeint ist das 20. Jahrhundert) zwischen Robert James Fischer und Boris Spasski in Reykjavik 1972 in verschiedenen Quellen sehr gut dokumentiert. Auch die Partien wurden gut und gründlich von mehreren Kommentatoren analysiert.
Für meine Kommentare zu den Schlüsselpartien der einzelnen WM-Kämpfe habe ich die zeitgenössischen Analysen durchgesehen und mit Hilfe einer Schachengine auf Korrektheit überprüft. Viele historische Partien wurden lange nicht mehr durchgesehen und die Schachengines entwickeln sich ständig weiter. Gelegentlich konnte ich eine Entdeckung machen. So hatte Fischer in der 3. Partie des Wettkampfes die Möglichkeit zu einem Figurenopfer, das ihm einen sehr starken Königsangriff eingebracht hätte. Zur Verteidigung hätte Spasski einige „einzige“ Züge finden müssen. Das Figurenopfer wurde von den zeitgenössischen Kommentatoren wie Svetozar Gligoric gesehen, aber unterschätzt, weil sie danach einen starken Zug übersahen.
Fischers Stärke war sein strategisches Verständnis. Er überspielte seine Gegner dank seines tiefen Schachverständnisses. Auf taktische Abenteuer ließ Fischer sich nicht ein. Und so verzichtete er auch auf diese taktische Möglichkeit, die er sicher gesehen hatte, aber als nicht gut genug verwarf. Die zweite Entdeckung betrifft Spasskis Verteidigungs-Ressourcen. Erst ganz zum Schluss neigte sich die Partie zu Fischers Gunsten:
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