Gang of Four im Hafenklang

Andy Gill
Andy Gill, 1956-2020

Konzertliste

Die Post Punk-Gruppe Gang of Four formierte sich Mitte der 1970er Jahre in den Studentenzirkeln des Fachbereichs für Bildende Kunst an der Universität der Nordenglischen Arbeiterstadt Leeds. Die Mekons oder Delta 5 waren weitere Bands, die dort damals entstanden. Der Gruppenname -„Gang of Four“ – bezieht sich auf die „Viererbande“ in China. Viererbande war die abfällige Bezeichnung für eine Gruppe von kommunistischen Politikern um Mao Zedongs Witwe, die nach dem Tod von Mao 1976 eigentlich nur dessen Idee einer „Kulturrevolution“ fortsetzten. Nach einem Machtkampf wurden diese Politiker noch 1976 verhaftet und für die Gräueltaten während dieser Kulturrevolution verantwortlich gemacht und 1981 zu langen Haftstrafen verurteilt. Auch im England der 1970er Jahre sorgten hohe Inflation, wachsende Arbeitslosigkeit und zunehmende Einwanderung für soziale und politische Spannungen.

Die Gründungsmitglieder der Band waren 1977 Andy Gill (Gitarre), Dave Allen (Bass), Hugo Burnham (Schlagzeug) und Jon King (Gesang). Die Gruppe entwickelte schnell einen ganz eigenen Stil, der stark rhythmusorientiert und von Andy Gills eigenwilligem Gitarrenspiel geprägt war. Gills Vorbild war Wilko Johnson von der Gruppe Dr. Feelgood und dessen „zerklüfteter“ Gitarrenstil. Gang of Four etablierten einen sparsamen, aber harten und sehr kalten Sound, punkig, aber mit Elementen von Funk, Dub und Reggae. Gelegentlich wurden die Stücke durch ein Loch, eine Pause, unterbrochen und erhielten dadurch einen besonderen Akzent. Die Texte waren politisch und gesellschaftskritisch. Kommerziell war die Gruppe als Kollektiv organisiert. Alle vier Bandmitglieder waren an den Kompositionen beteiligt, jeder erhielt das gleiche Salär.

Das erste Studio-Album „Entertainment“ erschien 1979. Das Album wird im Nachhinein als eines der besten Punkalben aller Zeiten angesehen. 1981 folgte „Solid Gold“. 1981 verließ Dave Allen die Gruppe und wurde von Sara Lee von „Jane Aire and the Belvederes“ ersetzt. Mit Sara Lee wurden die Alben „Songs of the Free“ (1982) und „Hard“ (1983) aufgenommen. 1983 löste sich die Band vorübergehend auf. Gill und King reanimierten sie nach einigen Jahren mit anderen Musikern. Zwischen 2004 und 2006 traten sie sogar wieder in Originalbesetzung auf.  Seit 2013 ist Andy Gill der letzte verbleibenden Musiker aus der Gründungszeit. In den 1990er Jahren erschienen dann noch die Alben „Mall“ (1991) und „Shrinkwrapped“ (1995), zuletzt folgten die Alben „Content“ (2011) und „What happens next“ (2015).

Eine Reihe der frühen Stücke sind inzwischen zu echten New Wave- Hymnen geworden. Dazu gehören besonders die Stücke „Damaged Goods“, „I found this essence rare“ und „At Home he feels like a Tourist“ vom ersten Album Entertainment.

Gang of Four
Gang of Four

„Damaged Goods“

The change will do you good
I always knew it would
Sometimes I’m thinking that I love you
But I know it’s only lust

Your kiss so sweet
Your sweat so sour
Your kiss so sweet
Your sweat so sour

Sometimes I’m thinking that I love you
But I know it’s only lust
The sins of the flesh
Are simply sins of lust

Sweat’s running down your back
Sweat’s running down your neck
Heated couplings in the sun (Or is that untrue?)
Colder couplings in the night (Never saw your body)

Your kiss so sweet
Your sweat so sour
Sometimes I’m thinking that I love you
But I know it’s only lust

The change will do you good
I always knew it would
You know the change will do you good
You know the change will do you good

Damaged goods, send ‚em back
I can’t work, I can’t achieve, send me back
Open the till, give me the change you said would do me good
Refund the cost, you said you’re cheap but you’re so smart

Your sweat so sour
Sometimes I’m thinking that I love you
But I know it’s only lust

The change will do you good
I always knew it would
You know the change will do you good
You know the change will do you good

I’m kissing you goodbye
I’m kissing you goodbye
I’m kissing you goodbye
I’m kissing you goodbye

Goodbye, goodbye, goodbye, goodbye, goodbye
Goodbye, goodbye, goodbye
Goodbye, goodbye, goodbye, goodbye, goodbye
Goodbye, goodbye, goodbye

„At Home He’s A Tourist“

At home he feels like a tourist
At home he feels like a tourist
He fills his head with culture
He gives himself an ulcer
He fills his head with culture
He gives himself an ulcer

Down on the disco floor
They make their profit
From the things they sell
To help you cover
All the rubbers you hide
In your top left pocket

At home she’s looking for interest
At home she’s looking for interest
She said she was ambitious
So she accepts the process
She said she was ambitious
So she accepts the process

Down on the disco floor
They make their profit
From the things they sell
To help you cob off
And the rubbers you hide
In your top left pocket

Two steps forward
(Six steps back)
(Six steps back)
(Six steps back)
(Six steps back)
Small step for him
(Big jump for me)
(Big jump for me)
(Big jump for me)
(Big jump for me)

At home she feels like a tourist
At home she feels like a tourist
She fills her head with culture
She gives herself an ulcer
Why make yourself so anxious
You give yourself an ulcer

Im Oktober 2018 waren Gang of Four in der aktuellen Besetzung auf einer kleinen Tournee unterwegs, die am 18. Oktober in Manchester begann. Am 26. Oktober spielte die Band in Hamburg, im ehrwürdigen Hafenklang.

Gang of Four
Gang of Four

Die Hamburger Hafenklang-Location an der Großen Elbstraße 84, unweit des Fischmarktes und der Fischauktionshalle wurde in den 1970er Jahren zum Künstler – und Musikertreff. Das Hafenklang Studio besaß das erste 24-Spur-Tonstudio in Hamburg. Neben anderen Bands und Musikern nahmen deshalb hier Abwärts, Palais Schaumburg, Einstürzende Neubauen oder X-Mal Deutschland ihre Alben auf. Ende der 1990er Jahre konnte der geplante Abriss des Gebäudes verhindert werden. Nach zwischenzeitlichem Umzug wegen Umbau ist das Hafenklang seit 2008 wieder an alter Stelle – das passende Ambiente also für einen Auftritt einer solchen New Wave Ikone wie Gang of Four.

Das Publikum wurde vor der Show zunächst noch mit New Wave- Klassikern aus der Musikbox in Stimmung gebracht und dann von der Ein-Mann-Gitarrenband “Swearing at Motorists” alias Dave Doughman mit ein paar Stücken unterhalten. Nach einer Umbaupause betrat dann Gang of Four die Bühne. Gitarrist Andy Gill ist inzwischen auch schon 62 Jahre alt und kam mit ein paar jungen Männern, die zumindest optisch kaum noch an die einstige Klassenkampfprogrammatik erinnern. Eher an L’Uomo Vogue. John “Gaoler” Sterry, Sänger der Band, und Thomas McNeice, der Bassist, erschienen auch gut frisiert. Es wäre aber ungerecht, sie auf die Optik zu reduzieren, denn sie machten ihre Sache sehr gut an diesem Abend. Die beiden waren auch alles andere als Gang of Four-Neulinge. McNeice ist schon seit 2008 am Bass dabei und John Sterry immerhin schon seit 2012. Die Show begann und Andy Gill lockt die ersten Töne aus einer Gitarre, in dem er mit Schwung mehrfach auf den Boden warf. Dazu schaute er ernst und entschlossen ins Publikum. Dann begann aber auch schon der typische treibende und kräftige Gang of Four-Rhythmus, für den jetzt der neue Schlagzeuger Tobias Humble und eben Thomas McNeice sorgen. McNeice hat die zornige Männer-Attitüde der Band in die nächste Generation transportiert. Er schaute ernst und verzog während der nächsten anderthalb Stunden keine Miene.

Gang of Four
Gang of Four

Ebenso wenig wie Gang of Four Mastermind Andy Gill. Der versuchte aber im Laufe des Konzerts in seiner spröden Art gelegentlich mit dem Publikum zu kommunizieren, doch das gelang nicht recht.

Zurück zur Gitarre, die manchmal so klang, als hätte er sie mit Stacheldraht bespannt. Zur Gang of Four – Show gehören neben den steinernen Gesichtern gelegentliche konvulsivische Körperzuckungen der Gitarristen, so als ob ihre Instrumente beim Bespielen Stromstöße abgeben würden.  Thomas McNeice beherscht das ausgezeichnet, Andy Gill ist inzwischen doch recht steif geworden. Ganz anders bewegt sich Sänger John Sterry. Er ist ein guter Tänzer, ist aber auch – vielleicht durch die politischen Botschaften der Texte – auf der Bühne ein Getriebener. Manchmal ließ er sich dramatisch auf die Knie fallen, konnte dann scheinbar erschöpft nur unter Mühen wieder aufstehen. Bald danach war er aber wieder voller Energie und sprang energisch auf der kleinen Bühne herum.

Die drei Frontmänner rochierten während der Stücke häufig von rechts nach links und in die Mitte und wieder zurück. Das Publikum, zum Teil noch aus der Gründungszeit der Band, zum Teil aber noch sehr jung, ging von Anfang an gut mit. Gang of Four spielten harte, kühle, aber tanzbare Musik und lieferten eine gute Show.

Auch 2019 waren Gang of Four wieder auf Tour, im November 2019 in Australien, als Jubiläums-Tour zum 40sten Jahrestages ihres Debütalbums „Entertainment“.

Andy Gill (1956-2020)

Am Samstag, den 1. Februar 2020 starb der musikalische Kopf der Gang of Four Andy Gill an einer Atemwegserkrankung. Seine Bandkollegen John Sterry, Thomas McNeice und Tobias Humble schrieben in ihrem Nachruf auf der Gang of Four – Webseite mit den Worten: „Für uns war er ein Freund- wir werden seine Freundlichkeit und Großzügigkeit, seine fürchterliche Intelligenz, schlechten Witze, verrückten Geschichten und endlosen Tassen mit Darjeeling Tee Tee in Erinnerung behalten. Und er hatte auch etwas von einem Genie.“ 

Gang of Four – Webseite

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