Grausame Töchter (MS Stubnitz)

Grausame Töchter
Grausame Töchter

Die MS Stubnitz war einst ein Kühlschiff der DDR-Hochseefischfangflotte, 1965 erbaut. 1992 wurde das Schiff zu einem Kulturschiff für Konzerte, Aufführungen und Ausstellungen umgebaut und wird seit 1998 vom Rostocker Verein Kulturschiff Stubnitz e.V. betrieben. Seit 2014 liegt das Schiff im Hamburger Hafengebiet, dort, wo derzeit die Hafen City entsteht, und wird vor allem als schwimmender Club und als Konzerthalle genutzt.

Eines der Konzerte betritt Ende November 2018 die in Hamburg gegründete Frauenkapelle Grausame Töchter, unterstützt von den Musikkünstlern „Betonbraut“, „Devil-M“, „Barabaz“ und „Unterschicht.“ 

Betonbraut ist eine an das Grand Guignol erinnernde mehr oder weniger One-Women Musikperformance aus dem Umfeld der Grausamen Töchter. Sie bestritt den Auftakt-Gig am frühen Abend des kleinen Dark Wave-Festivals, performte in einer morbiden Show einen symbolischen Selbstmord und ließ sich zum Schluss einen Jutesack über den Kopf stülpen.

Es folgte ein Auftritt von Devil-M, einer Elektro-Metal-Band – nette Jungs, die aber in Ork-Kostümen auftreten und laute Stücke mit düsteren Titeln zum Vortrag brachten.

Der nächste Gig war eine One-Man-Electro-Rap-Show von Ainar Barabaz. Die Musik kam komplett aus einem kleinen Mobilgerät, während Barabaz am Bühnenrand gestenreich seine Texte im düsteren Hip-Hop vortrug.

Als letzte Vorgruppe trat schließlich Unterschicht auf, ebenfalls der Dark Electroszene zugehörig, eine drei Personen-Band, in einigen Stücken von einer zusätzlichen Background-Sängerin unterstützt.

In den Umbaupausen unterhielt Desdemona Sin von der Burlesque-Gruppe „Sinderellas“ das Publikum mit Interviews. 

Hauptact des Abends waren die Grausamen Töchter. Die Band um Frontfrau Areana Peel existiert bereits seit neun Jahren. Als Kind erhielt Areana Peel an der Staatlichen Stuttgarter Ballettakademie Tanzunterricht. Als Jugendliche spielte sie am Magdeburger Landestheater. Das Geld für die erste Musikproduktion verdiente sie als Domina. „Rausch, Extase, Sex und Leidenschaft“ bildeten den Mittelpunkt ihres Lebens, verriet Areana Peel einst im Interview. Das bürgerliche Leben hat sie ebenso hinter sich gelassen wie ihren Geburtsnamen. Das aktuelle Album „Engel im Rausch“ ist inzwischen schon das fünfte Album. Mit wechselnden Besetzungen sind die Grausamen Töchter mehr ein Projekt als eine Band. Die Auftritte sind als Performance konzipiert, alle Songs komplett durchchoreografiert.

Integraler Bestandteil der Show sind die Kostüme in Dark Wave Ästhetik, mit viel Freude am Exhibitionismus. Frontfrau Areana Peel – mit schweren Stiefeln, zerrissenen Strümpfen, nacktem und bemalten Oberkörper, in Make-up und Frisur an eine weibliche Version des Jokers aus den Batman-Comics erinnernd –  und zwei Sängerinnen/Tänzerinnen, hier Kiara Kazumi und Thenia AF, bilden einen Chor, der die durchweg provokanten Texte vorträgt – eine Art Kampftruppe mit homosexuellen Botschaften jenseits der eigenen Schmerzgrenze.

Ich darf das (Alles Für Dich!)

Du darfst niemals böse Sachen sagen oder denken
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Du darfst andre‘ Menschenseelen nie und nimmer kränken
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Du darfst dich nicht wie ’ne Hure anziehn‘ und benehmen
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Du sollst dich für deine Emotionen niemals schämen
Schäme dich, denn du bist schlecht!
Du darfst die Gesetze der Gesellschaft niemals brechen
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Du darfst der Moralvorstellung niemals wiedersprechen
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Du darfst nicht mit jeder geilen Slampe hier verkehren
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Du darfst nicht zum Teufel rufen um ihn zu verehren
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Du darfst gar nichts machen
Du darfst gar nichts machen
Du darfst gar nichts machen
Du darfst gar nichts machen
Du darfst gar nichts machen
(Du darfst gar nichts machen)
(Du darfst gar nichts machen)
Du darfst gar nichts!
Ich darf das!
Ich will das!
Ich mach‘ das!
(Fickt euch! Fickt euch!)
Ich darf das!
Ich will das!
Ich mach‘ das!
Und ich frag‘ niemanden um Erlaubnis
Du darfst nicht verschlafen und dich hoffnungslos verspäten
Du darfst nicht den Teufel wecken, um ihn anzubeten
Du darfst Egoismus niemals lustvoll zelebrieren
Du darfst deinen Körper keinesfalls mit Blut beschmieren
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Nein, nein, nein!
Das darfst du nicht!
Schäme dich, denn du bist schlecht!
Du darfst gar nichts machen
Du darfst gar nichts machen
(Du darfst gar nichts machen)
(Du darfst gar nichts machen)
(…)
Du darfst gar nichts m-
Ich darf das!
Ich will das!
Ich mach‘ das!
Ich darf das!
Ich will das!
Ich mach‘ das!
Fickt euch! Fickt euch!
Ich darf das!
Ich will das!
Ich mach‘ das!
Und ich frag keinen um Erlaubnis
Ich darf das!
Ich will das!
Ich mach‘ das!
Ich kann auch mal ganz ordinär werden!
Fickt euch! Fickt euch!
Fickt euch!
Fickt euch! Fickt euch!

Die Musik ist ein treibender Elektrobeat. Einen Gesang im eigentlichen Sinne gibt es nicht, es sind mehr Parolen, mehr geschrien als gesungen. Die Stücke werden szenisch untermalt, bisweilen unterstützt von zusätzlichen Performerinnen. Bisweilen sind die Botschaften mehr als deutlich. Da wird zum Beispiel ein Kürbis mit aufgemaltem Gesicht zum Männerkopf erklärt. Areana Peel zeigt auf die Männer im Publikum, die allesamt gemeint sein könnten und dann wird der symbolische Schädel mit einem Elekromixer lustvoll ausgehöhlt. Im weiteren Verlauf des Konzerts hat der Männerschädel einen zweiten Auftritt und seine Behandlung wird nicht besser.

Thematisch geht es in den Texten durchweg um gesellschaftliche Zwänge und alle Arten von Grenzüberschreitungen, radikalen Tabubrüchen und experimentellen Beziehungsformen. Jugendfrei ist das alles nicht.

Mit den fünf reichhaltig mit Songs gespickten Alben könnten die Grausamen Töchter wohl problemlos auch eine mehrtägiges Konzert bestreiten. Beim Aufritt in der MS Stubnitz offenbarte Areana Peel mit Coverversionen von der „Goldene Reiter“ und „Rosemarie“, umgedeutet zu einem homoerotischen Liebeslied, ihre Liebe zur Neuen Deutschen Welle.

Grausame Töchter: Goldener Reiter
Grausame Töchter: Goldener Reiter

Die Show in der MS Stubnitz war kraftvoll und provokativ, im Vergleich zu anderen Shows, die die Grausamen Töchter schon gegeben haben, aber noch eher „zahm“.

Interview von Dark Diversity mit Areanna Peel

 

Grausame Töchter Homepage

Youtube-Kanal von Areana Peel

Unterschicht

Barabaz

Devil-M Homepage

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