Der US-amerikanische Autor Edward Albee (1928-2016) hat eine interessante Biografie. Er wurde als Zweijähriger von Reed Adalbert Albee adoptiert. Die wohlhabende Familie Albee besaß eine Kette von Vaudeville-Theatern und Kinosälen. Edward Albees Schulausbildung war von vielen Schulwechseln geprägt, da die Familie oft umzog. 1946 machte er seinen Abschluss. Danach folgte ein kurzes Studium am Trinity College, Hartfurt, Connecticut. Nach einem Jahr wurde er dort herausgeworfen. Seine Pflegeeltern, mit denen er sich nicht gut verstand, hatte er früh verlassen. Albee nahm von ihnen allerdings das Interesse für das Theater mit, interessierte sich zudem für Musik und Literatur. Er versuchte sich sich selber als Autor, schrieb einen einen ersten langen Roman und eine Reihe von Kurzgeschichten. Seinen Lebensunterhalt verdienter Albee sich mit Gelegenheitsjobs. Eine Zeit lang arbeitete er in einem New Yorker Musiksender. 1952 hielt Edward Albee sich eine Zeit lang in Italien auf und begann dort einen weiteren Roman, den er jedoch nicht beendete. Erst mit 30 Jahren konzentrierte Albee sich ganz auf das Stückeschreiben, ermutigt durch Thorton Wilder. Die Uraufführung seines ersten Stückes „Die Zoogeschichte“ fand nicht in den USA, sondern 1958 am Schiller-Theater in West-Berlin statt. Nachdem das Stück hier Erfolg hatte, wurde es auch in den USA gespielt. Sein Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ wurde 1962 am Billy Rose Theater in New York am Broadway uraufgeführt. 1966 wurde das Stück mit Richard Burton und Elisabeth Taylor verfilmt.
Die im Titel genannte Autorin Virginia Woolf (1882-1941) war in den 1960er Jahren eine Ikone der Emanzipationsbewegung. Der ganze Vers erinnert an den Titel des Kinderliedes „Wer hat Angst vor dem bösen Wolf“. Albee hat diesen Titel wohl eher zufällig gewählt. Ursprünglich wollte er das Stück „Exorzismus“ nennen.
„Wer hat Angst vor Virgina Woolf“ spielt am späten Abend oder in einer Nacht, nach einer Party beim Dekan einer Universität, in der Wohnung von George und Martha. Martha ist die Tochter des Dekans, George an dieser Universität Dozent für Geschichte. Nachdem die beiden zuhause angekommen sind, überrascht Martha ihren Mann damit, dass noch Besuch kommen wird, der junge Biologieprofessor Nick mit seiner Frau „Süße“. George reagiert gereizt.Zwischen dem Paar entsteht schnell eine aggressive Stimmung. Alte,wohl bekannt Gräben werden aufgerissen. Das Streitgespräch entwickelt sich zum Ehekrieg, in den dann auch, unter ständiger Alkoholaufnahme der Protagonisten, das Besucherpaar mit einbezogen wird. Nach und nach werden die Lebenslügen und Illusionen aller vier Protagonisten ans Tageslicht gezerrt und zwecks Demütigung zur Schau gestellt. Im Laufe des Abends erwähnen George und Martha ihren erwachsenen Sohn, der noch erwartet wird. Doch zum Schluss lässt George den Sohn sterben, indem er berichtet, dass dieser gegen einen Baum gefahren und umgekommen ist. „Du hast ihn geboren, ich lasse ihn sterben.“ Es wird klar, dass es den Sohn nie gegeben hat und hier die größte Lebenslüge offenbart wird.
„Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ ist in Deutschland Schullektüre im Englischunterricht und viele die einst damit konfrontiert wurden, sind des Stückes müde. Zudem wird das Erscheinungsbild stark durch die Verfilmung mit Burton/Taylor geprägt, die hier vielleicht auch ihren eigene Beziehungskrieg mitinszeniert haben und den destruktiven Aspekt betonen. Und nach fast 60 Jahren Aufführungsgeschichte gilt das Stück manchen als etwas aus der Zeit gefallen.
Devid Striesow als George, Maria Schrader als Martha, Matti Krause als Nick und Josefine Israel als Süße beweisen in der Inszenierung von Karin Beier, dass dies nicht so ist. Auf einer fast kahlen Bühne spielt Maria Schrader Albees Martha kraftvoll und mit großer körperlicher Präsenz. Ihr Kontrapart Devid Striesow verleiht dem George eine große Portion Witz. Striesow gestikuliert und spielt mit den Betonungen seiner Sätze, erzeugt Überraschungen und wendet die Figur dann wieder ins Diabolische. Die beiden Filmschauspieler stehen wegen ihrer Bekanntheit im Vordergrund der Aufführung, die dank der Kunst aller Darsteller keinen Augenblick langweilig ist.
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